Wenn sich Wisła und Cracovia im Krakauer Stadtderby gegenüberstehen schwingt neben Hass und Gewalt auch immer etwas Politisches mit. Auf der einen Seite die regimetreuen und politisch rechts eingestellten Wisła-Fans, die sich selbst als den einzig wahren polnischen Verein der Stadt sehen. Cracovia hingegen, auf Initiative eines jüdischen Arztes aus studentischem Umfeld hervorgegangen, beruft sich gerne auf sein Intelektuellen-Image. Das Derby Krakowa gilt als das gefährlichste Stadtderbys Europas.
Höhenflug um die Jahrtausendwende
Die Wurzeln von Wisła Krakau liegen im städtischen Błonia-Park. Aus gemeinsamen Freizeit-Kicks zwischen zwei Schülermannschaften entstand 1906 der Verein. Zwanzig Jahre später gewannen die Rot-Weiß-Blauen ihren ersten Titel. Dem Pokalsieg folgte ein Jahr später auch die erste Meisterschaft. Mitte der 60er Jahre stürzte Wisła erstmals in die 2. Liga ab. Nachdem auch in den 90er Jahren zunächst zwei Jahre nur zweitklassiger Fußball geboten wurde folgte die erfolgreichste Ära Vereinsgeschichte zwischen 1999 und 2005. In dieser Zeit gewann Wisła fünf Meisterschaften und hatte damit die Vorherrschaft im polnischen Fußball inne. Heute warten die Anhänger seit acht Jahren auf einen Titel.
Das lange Warten auf die Meisterschaft
Noch länger – seit 71 Jahren – warten die Anhänger von Cracovia auf einen Meisterschaftserfolg. Damals gelang den Weiß-Roten der fünfte du letzte Meistertitel. Dabei begann die Ligahistorie äußerst vielversprechend. Gleich die erste Meisterschaft 1921 ging an Cracovia. Auch bei der Gründung war der Verein Vorreiter. Als einer der ersten polnischen Vereine überhaupt wurde 1906 der Grundstein gelegt. In den erfolgreichen Anfangsjahren stellte Cracovia regelmäßig den Großteil der polnischen Nationalmannschaft. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich das Team zu einer Fahrstuhlmannschaft zwischen 1. und 3. Liga. Seit 2013 spielt Cracovia wieder erstklassig.
Święta Wojna – Heiliger Krieg
Die Ultras beider Vereine gelten selbst für polnische Maßstäbe für besonders gewaltbereit. Getreu dem Leitsatz „Sterben soll keiner, aber Blut soll fließen“ steht das Sportliche bei diesem Derby nur selten im Vordergrund. Denn auch wenn der Leitsatz das Gegenteil behauptet, kommt es immer wieder zu Todesopfern. Die Szenen auf Krakaus Straßen erinnern eher an einen Bandenkrieg denn an zwei Fußball-Anhängerschaften. Mit Waffen wie Baseballschlägern und Messern werden die Stadtviertel der Rivalen überfallen.
Sinnbildlich für dieses Derby steht der Satz eines Cracovia-Spielers unmittelbar vor einem Duell in den 20er Jahren: „Meine Herren, wir gehen jetzt in den heiligen Krieg.“ 2005 schien die Feindschaft für einen kurzen Moment beendet, als beide Fangruppen gemeinsam Kerzen für den im Sterben liegenden Papst Johannes Paul II anzündeten. Doch das war nur eine Momentaufnahme. Gästefans sind bei den Derbys in der Regel übrigens offiziell nicht zugelassen.
Quelle: Die falsche 9
Autor: Moritz