Die lange Leidenszeit hat ein Ende! Elf Jahre nach dem Abstieg aus der 3. Liga ist Alemannia Aachen wieder da – nach einer beeindruckenden Saison, in der zwischenzeitlich kein Mensch mehr an den Aufstieg dachte.
27.300 Zuschauer kamen am 28. Juli 2023 zum Saisoneröffnungsspiel der Regionalliga West – es war eine Rekordkulisse für ein Auftaktspiel. Auf dem Tivoli in Aachen kam es zum Duell der beiden Topfavoriten um die Meisterschaft. Der Wuppertaler SV drehte, mit zwei Toren in der Nachspielzeit, die Partie spät zu Gunsten der Gäste. Das Eröffnungsspiel war ein Abbild des Saisonstarts. Immer wieder drehten die Wuppertaler ihre Spiele spät zu Siegen. Während die Alemannia Führungen aus der Hand gab – und es bereits nach vier Spieltagen zum großen Knall kam. Nach der desolaten Vorstellung in Oberhausen (1:4) wurde Trainer Helge Hohl freigestellt. Mit vier Punkten aus vier Spielen stand der TSV auf Platz 15 der Regionalliga West. Eine weitere verlorene Saison bahnte sich an. Zwei Wochen später übernahm jedoch der Mann, der für die erfolgreichste Alemannia seit vielen Jahren mitverantwortlich ist, Heiner Backhaus. Mit seinem Wechsel vom Regionalligist BFC Dynamo sorgte der 42-jährige für viel Wirbel. Für ihn und den Verein wurde es allerdings zum Glücksfall.
Nach dem Backhaus-Auftaktsieg gegen Rödinghausen gab es zunächst zwei Unentschieden gegen die Zweitvertretungen aus Köln und Düsseldorf – Zweifel machten sich breit. Doch dann kannte die Alemannia fast nur noch eine Richtung in der Tabelle – nach oben. Die Alemannia siegte Woche für Woche, ging seit Oktober in nur zwei Spielen nicht als Sieger vom Platz. Im November klettern die Kaiserstädter auf Platz 6, dann auf 4 und Ende des Monats bereits in die Top 3. Schwarz-Gelb überwintert auf Rang 2, holt sich im ersten Spiel des neuen Jahres die Tabellenführung und gibt sie bis heute nicht mehr ab. Die Alemannia im Aufstiegsjahr. Ungeschlagen, torreich, defensivstark und mit ganz viel Mentalität.
Der Erfolg auf dem Platz sorgt auch für Begeisterung auf den Rängen, wo der wachsende Glaube an das Ende der trostlosen Regionalligazeit im zweiwöchentlichen Rhythmus an der Zuschauerzahl messbar ist. Im Aufstiegsjahr 2024 sind bei allen Heimspielen der Backhaus-Elf mehr als 20.000 Zuschauer da. Zahlen, von denen viele Zweit- und Drittligisten träumen – manch eine Klub sogar in der Bundesliga. Ende März ist der Heimbereich des über 30.000 Zuschauer fassenden Tivolis erstmals ausverkauft. Das vorentscheidende Heimspiel gegen Bocholt ist in Rekordzeit ausverkauft. Auch die Zahlen der verkauften Dauerkarten stieg Woche für Woche an. Insgesamt knapp 10.000 Dauerkarten wurden bis zum Verkaufsstopp abgesetzt.
In der Fremde bricht Aachen weitere Rekorde. Auf der Abschiedstour sorgt der TSV für volle Stadien und dafür, dass die Gastgeber mit nur einem Spiel in der Zuschauertabelle um gleich mehrere Plätze nach oben klettern. Tausende Fans gaben sich die deprimierenden Gastspiele bei den Zweitvertretungen, die wahrlich keine Zuschauermagneten sind. Rund 3.000 waren es bei der Zweiten des „Effzeh“, fast 5.000 in der ansonsten fast leeren Paderborner Home-Deluxe-Arena. Kartenverkäufe für die Spiele auf Schalke und in Düren mussten aus Sicherheitsgründen gestoppt werden, selbst Spiele wie in Wegberg und Rödinghausen waren ausverkauft. Eine Auswärtskarte für die Alemannia hat auf einmal wieder einen Wert!
Beeindrucke Zuschauerzahlen – heim wie auswärts
Mit einem Saisonschnitt von fast 20.000 Zuschauern gehört man in Deutschland zu den Top 30 Klubs nach Zuschauern. Auswärts genießt die Mannschaft eine zahlreichere Unterstützung als beispielsweise Champions-League-Teilnehmer RB Leipzig. Über durchschnittlich 1.700 Gästenfans sorgen für den höchsten Auswärtsfahrerschnitt in der Regionalliga seit dem Aufstieg von 1860 München.
Elf verdammte Jahre haben nun endlich ein Ende gefunden. Ein schlafender Riese ist erwacht. Vielleicht ist es ein Phänomen der Alemannia, das bis zum großen Comeback viel Zeit vergehen muss. Nach dem Bundesligaabstieg 1970 vergingen 36 Jahre bis auf dem Tivoli wieder der Ball in der Bundesliga rollte. Dazwischen nahm die Alemannia am Pokalfinale teil und ging als Zweitligist im Europapokal auf Reisen. In der Bundesliga konnte man sich nach dem Aufstieg dennoch nicht halten. Es folgte der direkte Abstieg, das neue Stadion und die kurzzeitige Tabellenführung in der Ewigen Tabelle der 2. Bundesliga. Dann nahm der freie Fall seinen Lauf – der mit der Rückkehr in die 3. Liga nun ein Ende hat. Herzlichen Glückwunsch, Alemannia Aachen!
Autor: Christian Link